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Mimose-A - Multimodale IoT-Devices zur umfassenden und selbstlernenden Anlagenüberwachung
 
Projektleitung
Dr. rer. nat. Patrick Neumann
BAM - 8.1
Sensorik, mess- und prüftechnische Verfahren
E-Mail: Patrick.Neumann@bam.de
Förderstruktur
Bund - Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) - 7. Energieforschungsprogramm
Projektbeginn
01.11.2023
Projektende
31.10.2026
Projektart
Realisierte Antragsforschung
Themen-/Aktivitätsfeld
THEMENFELD Analytical Sciences, * Sensorik
Abstract
Der Mensch ist in der Lage, sehr schnell den Zustand seiner Umgebung zu erfassen, indem er – häufig unbewusst – Informationen über verschiedene Sinneskanäle – Augen, Ohren, Nase, Fingerspitzengefühl, aber auch Temperatur und Luftbewegung – aufnimmt und miteinander verarbeitet. Für technische Systeme stehen heutzutage eine Vielzahl preiswerter Sensoren zur Verfügung, die teils deutlich über die menschlichen Sinnesorgane hinausgehen, dennoch ist eine ähnlich umfassende Bewertung der Umgebung noch nicht möglich, weil die einzelnen Sensordaten nicht ausreichend fusioniert und interpretiert werden. Im Projekt Mimose-A sollen in Anlehnung an das biologische Vorbild verschiedene Mikrosensoren in smarte Sensorknoten integriert werden, um industrielle Anlagen, primär in der chemischen Industrie, später z. B. auch in der Stahlindustrie und Güterlogistik, umfassend und selbstlernend zu überwachen. Zielstellungen sind z. B. die frühzeitige und robuste Erkennung und Lokalisierung von Anlagenschäden (Heißlaufen bzw. Vibrationen bei Pumpen, Ventile, Leitungen), von Leckagen und anderen ungewollten Emissionen. Vor allem sollen die Sensornetzwerke aber in der Lage sein, neue, unbekannte Zustände zu erkennen und durch entsprechendes Feedback peu à peu besser zu bewerten. Im Hinblick auf die angestrebte breitere Nutzung von Wasserstoff als Energieträger soll dies näher erläutert werden. Leckagen können bei Wasserstoff wegen der winzigen Moleküle und möglicher Materialversprödung leichter auftreten. Bereits kleine Leckagen reduzieren die Energieeffizienz einer Anlage deutlich, größere können wegen der heißen, aber unsichtbaren Wasserstoffflammen ohne Rauchentwicklung leicht zu enormen Schäden an Anlagen führen. Solche und andere Leckagen können grundsätzlich mit geeigneten Gassensoren oder mit Mikrofonen zur Erkennung von Zischgeräuschen erkannt werden. Die multimodale Sensorfusion in Kombination mit einer KI-basierten Bewertung der zeitlichen Fluktuationen in einzelnen Sensorknoten sowie dem Vergleich von Messwerten mehrerer Knoten erlaubt eine bislang unerreicht empfindliche, zuverlässige und robuste Leckageerkennung und -lokalisierung. Mit der Zeit lernen die Systeme durch Nutzung der weiteren Sensormodalitäten, mögliche Störquellen und Fehlalarmsituationen, z. B. Wasserstoff aus biologischen Quellen, von Anlagenschäden an Hand der auftretenden Signalmuster zu unterscheiden. Im Projekt werden kommerziell verfügbare Sensoren für die Umwelterfassung (Druck, Temperatur, Luftfeuchte, Vibration) mit Mikrofonen, Partikelsensoren und vor allem neuen sog. digitalen Gassensoren kombiniert und die damit erfassten Daten ganzheitlich mittels KI-Methoden auf bekannte und unbekannte Muster bewertet. Derartige Sensorknoten können durch den Einsatz von für Consumeranwendungen entwickelten Mikrosensoren grundsätzlich sehr preiswert und klein realisiert werden, so dass sich engmaschige Sensornetzwerke zur Überwachung eines Industrieparks realisieren lassen. Hochintegrierte digitale Gassensoren erreichen dabei eine Detektionsschwelle und Selektivität vergleichbar zu analytischen Systemen. Um die Sensorknoten sehr flexibel und mit geringem Installationsaufwand einsetzen zu können, wird eine Energieversorgung mittels Energy Harvesting (primär Solarzellen, sekundär Nutzung von elektrischen und magnetischen Streufeldern) und eine drahtlose Vernetzung untersucht. Die in einzelnen Knoten anfallende Datenmenge durch Mikrofone und Vibrationssensoren, aber auch die dynamisch betriebenen Gassensoren ist dabei allerdings so groß, dass eine erste Signalauswertung direkt auf den Sensorknoten erfolgen muss, um relevante Merkmale und Kenngrößen zu extrahieren und eine erste Sensorfusion sowie Mustererkennung durchzuführen. Durch Vernetzung der Knoten und übergeordnete Auswertung auf Basis extrahierter Merkmale mittels verteilter KI-Methoden im Sinne eines Edge- oder Fog-Computing lassen sich durch die damit verfügbare Redundanz nochmals Sensitivität, Selektivität und Robustheit der Anlagenüberwachung steigern. Kameras im sichtbaren sowie Infraroten sollen ergänzend punktuell erprobt werden, da die Datenmenge und Signalverarbeitungskonzepte für bildgebende Verfahren über den zentralen Projektansatz hinausgehen.
Die Gassensoren werden vorab kalibriert, um in den Anlagen erwartete Gasemissionen selektiv an Hand der erfassten Signalmuster quantifizieren zu können; dies ist aber nicht ausreichend, da die Umgebungsbedingungen sowie mögliche unbekannte Gasemissionen die Erkennung stören bzw. verfälschen können, die Knoten müssen sich daher auf die reale Anwendungsumgebung adaptieren. Ähnliches gilt auch für die übrigen Sensoren, da z. B. das Vibrations- und Geräuschniveau und -spektrum a priori nicht bekannt ist. Die Knoten sollen daher zunächst den normalen Betriebszustand einer Anlage an Hand von Geräuschen, Vibration, Gas- und Partikelemissionen, Gerüchen, ggfs. auch IR-Strahlung und Bildern, erlernen und dabei bereits die Quereinflüsse durch wechselnde Umgebungsbedingungen berücksichtigen. In der Folge können abweichende Zustände an Hand von KI-Methoden automatisiert aus den Sensordaten erkannt (Anomalie-Detektion) und nach Identifizierung der Ursache gelabelt werden, um diese Zustände an Hand ihrer charakteristischen Signalmuster bei erneutem Auftreten frühzeitig zu identifizieren. Dieses Labeln kann z. B. durch Begutachtung durch einen Menschen erfolgen, im Projekt soll aber auch beispielhaft die Vernetzung der ortsfesten Sensorknoten mit mobiler, autonomer Sensorik (Drohnen, Fahrzeuge, Roboter) untersucht werden. Diese kann gezielt und eigenständig bei unklarer Situation Zusatzinformationen erfassen, wobei auch höherwertige und teurere Sensorik und Messtechnik zum Einsatz kommen kann, um in Zweifelsfällen belastbare Daten zu erheben. Die mobile Sensorik kann zudem zur Prüfung und ggfs. Nachkalibrierung der ortsfesten Sensorknoten genutzt werden, um das Vertrauen in und die Verfügbarkeit der neuartigen
Anlagenüberwachung zu erhöhen. Mit der Zeit soll das heterogene Netzwerk aus ortsfesten und mobilen, autonomen Sensorknoten zunehmend mehr Verantwortung übernehmen, z. B. für die Erkennung potentieller Gefahrenzustände (zunehmende Vibration, Heißlaufen, Dampf- bzw. Rauchentwicklung, Leckagen, Brand, Explosion, etc.) und damit die übliche betriebliche Vorsorge (Anlagenläufer) entlasten. Die so gewonnene Bewertung des Anlagenzustands, möglicher Störungen sowie potentieller Gefahrsituationen wird dem Betreiber der Anlage so zur Verfügung gestellt, dass eine schnelle und zielgerichtete Behebung
der Störung möglich wird. Dies kann mittels einer Visualisierung der Ergebnisse über eine Mensch-Maschine-Schnittstelle geschehen oder automatisiert über die Anlagensteuerung erfolgen.

Im Projekt sollen in zwei, max. drei beispielhaften Feldstudien die Potentiale dieses Ansatzes erforscht und konkrete Einsatzszenarien etabliert werden. Dabei wird frühzeitig die Installation erster, noch nicht hochintegrierter und drahtgebunden vernetzter Sensorknoten angestrebt, um Daten für die Entwicklung der verteilten KI-Methoden zu erfassen, die dann auch den Bedarf an Rechenleistung, Kommunikationskapazität sowie Energie definieren. Parallel werden Methoden für die Echtzeit-Funkvernetzung, aber auch erweiterte Sensorfunktionen untersucht und in der nächsten Generation integriert, bei der die erste Stufe der Signalverarbeitung (Merkmalsextraktion, lokale Anomalie-Detektion) bereits auf den Sensorknoten, die übergeordnete Datenfusion und Signalverarbeitung aber noch offline erfolgt. Zum Projektabschluss wird die Sensorausstattung der Knoten und ihre Funkvernetzung vervollständigt sowie die Datenauswertung im System verteilt, um das Potential des Mimose-Ansatzes für die Anlagenüberwachung zu demonstrieren. Zur Verifikation sind z. B. Freisetzungstests von ungefährlichen Substanzen bzw. simulierte Leckagen von Druckluftleitungen angedacht.

Um den Lösungsansatz breiter bei möglichen Interessenten vorzustellen und weitere Impulse für die Entwicklung der Sensorknoten sowie der Signalverarbeitung/KI-Methoden aufzugreifen, soll ein Projektbeirat eingerichtet werden, zu dem Vertreter möglicher Anwender sowie weiterer Sensorhersteller, aber auch von Prüf- und Zulassungsbehörden und Versicherungen eingeladen werden. Damit wollen die Partner die breite Nutzbarkeit und die Technologieoffenheit über die direkt im Projekt beteiligten Partner hinaus
sicherstellen. Die Ergebnisse des Projektes sollen auf wissenschaftlichen Tagungen ebenso präsentiert werden wie bei Industrieverbänden und auf Messen.
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